Das Oranierrondell und der brandenburgische Versklavungshandel

Das sogenannte Oranierrondell ist eines der größten Rondelle im ganzen Park Sanssouci. Die Büsten, die es beinhaltet, stellen niederländische Adelige dar. Die Niederländer*innen und Preuß*innen waren durch verschiedene Eheschließungen miteinander verwandt. Zudem kann das Oranierrondell und seine Größe als Geste des Respekts gegenüber den Freund*innen und Verwandten in den Niederlanden verstanden werden. In Preußen wurden die Niederlande als Vorbild angesehen: Sie waren beeindruckende Baumeister, hatten ein riesiges Imperium aufgebaut und trieben weltweiten Handel.

Abgesehen von diesem Rondell, zollte Preußen den Niederlanden noch größeren Tribut mit dem Bau des holländischen Viertels. Über das holländische Viertel finden Sie einen eigenen Beitrag auf unserer Seite. Das Oranierrondell möchten wir als Aufhänger nutzen, um über die Machenschaften des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg zu sprechen. Er lebte von 1640 bis 1688. Uns interessieren Friedrich Wilhelms Verbindungen zu den Niederlanden und seine Bestrebungen an der afrikanischen Goldküste kolonialen Besitz zu erwerben.

Oranierrondell
Das Oranierrondell im Park Sanssouci (Foto: Steffen Heilfort, Wikimedia Commons)

Friedrich Wilhelm studierte in den Niederlanden an den Universitäten in Leyden und Den Haag und lernte dort die für die damalige Zeit sehr fortschrittliche Militärorganisation der Niederlande kennen. U.a. machte er sich mit dem Seekriegshandwerk vertraut. In die Heimat zurückgekehrt bestieg Friedrich Wilhelm 1640 im Alter von 20 Jahren den Thron. Die gewinnbringende Verbindung zu den Niederlanden pflegte er weiter. Er nahm niederländische Ingenieure in seine Dienste und heiratete Luise Henriette von Oranien im Jahr 1646. Friedrich Wilhelms Denken und Handeln war stark geprägt von den Auffassungen des frühkapitalistischen Staates der Niederlande.

Wie die Niederlande wollte der kurbrandenburgische Fürst in den Kolonialhandel einsteigen. Die Niederlande waren durch den Kolonialismus zu Reichtum und Macht gelangt. Kolonialismus wirkte auf Friedrich Wilhelm wie ein lukratives Geschäft. Die einhergehende Ausbeutung und Grausamkeit nahm er nicht wahr.

Im Jahr 1680 gründete Friedrich Wilhelm mithilfe des niederländischen Kaufmanns Benjamin Raule eine kleine Kriegsflotte. Raule segelte los mit dem Auftrag in Afrika Handel zu treiben und günstige Möglichkeiten für eine kurbrandenburgische Kolonialgründung zu erkunden. Raule finanzierte diese Expedition größtenteils selbst, Friedrich Wilhelm stellte seine Flagge und 20 Soldaten zur Verfügung. Der Mode dieser Zeit entsprechend die heimischen Höfe „exotisch“ zu schmücken, ließ sich der Große Kurfürst von Raules Expedition Affen und Papageien mitbringen. Darüber hinaus orderte Friedrich Wilhelm sechs afrikanische Männer als Hofbedienstete als wären sie Ware.

Friedrich Wilhelm war zufrieden mit Raules ersten Expedition und den Mitbringseln. In Folge gründete er die Brandenburgisch-Afrikanische Kompanie. Investionswillige beteiligten sich und erhielten für ihr eingebrachtes Geld später einen Anteil vom Gewinn. Die Brandenburgisch-Afrikanische Kompanie war also eine Art frühe Aktiengesellschaft.

1682 brach eine erneute Expedition unter Leitung von Otto Friedrich von der Groeben auf, mit dem Ziel, eine brandenburgische Kolonie zu errichten. So entstand wenig später das Fort Großfriedrichsburg an der Küste des heutigen Ghanas. Das Fort steht heute immer noch dort, sowie dutzende andere europäische Festungen aus dieser Zeit.

Von dem Kolonialgeschäft erhoffte sich Friedrich Wilhelm – sowie ganz Europa zu der Zeit – großartige finanzielle Gewinne. Tatsächlich litt die Brandenburgisch Afrikanische Kompagnie zunächst unter Geldmangel. Um diesen zu beheben, beschloss der Große Kurfürst in den Handel mit Menschen einzusteigen, d.h. in den Versklavungshandel. Diesen Plänen kam die gesteigerte Nachfrage in Europa nach Zucker entgegen. Dieses süße Produkt konnte man günstig von den westindischen Inseln importieren, wo zuvor verschleppte Afrikaner*innen günstig verkauft worden waren.

Großfriedrichsburg heute
Großfriedrichsburg heute (Foto: Kaja Schröter)

Die Festung Großfriedrichsburg diente als sicherer Ausgangsort für den Dreieckshandel. Zudem mieteten die Brandenburger Teile der karibischen Insel St. Thomas von Dänemark. Dort hatten sie die Möglichkeit die von der langen und qualvollen Überfahrt geschwächten Afrikaner*innen wieder aufzupeppeln, bevor sie sie in die Versklavung verkauften. Der Versklavungshandel wurde die Haupteinnahmequelle der Brandenburg-Afrikanischen Kompanie. Geschätzt wird, dass zwischen den Jahren 1680 und 1717 ca. 15.000-24.000 Menschen von Afrika in die Amerikas transportiert wurden, wobei ca. 10-15% die Reise nicht überlebten.

Der Große Kurfürst starb im Jahr 1688 und sein Sohn war weniger interessiert am Kolonialhandel, führte ihn aber aus Rücksicht noch etwas fort. Friedrich Wilhelm I., der sogenannte Soldatenkönig, verkaufte die Kolonien schließlich in den Jahren 1717-1720 an die niederländische West Indien Kompagnie für 7200 Dukaten und 12 Afrikaner*innen.

In der Deutschen Erinnerungskultur werden diese frühen Kolonialbestrebungen oft ausgeklammert, da sie im Vergleich zu den groß angelegten Handels-, Eroberungs- und Ausbeutungsgeschichten Englands, Spaniens und Portugals zu unwichtig wirken. Wir halten es trotzdem für relevant. Diese Geschichte erklärt teilweise die jahrhundertelange Schwarze Präsenz in Deutschland, die auf Wunsch der Preußen entstanden ist. Zudem wurde damals schon Grundsteine für rassistisches Denken gelegt. Deutschland sollte sich der Verantwortung nicht entziehen – genauso wenig wie die Niederlande.

Text von Anna von Rath
View from the underground dungeon at Großfriedrichsburg (Photo: Kaya Schröter)

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