Herr Achmed von Glienicke
Als wir in SchwarzRunds Roman Biskaya über das Gemälde von Achmed im Schloss Glienicke gelesen haben, beschlossen wir, es uns mal anzusehen. Im Juli 2018 machten wir also einen kleinen Postcolonial Potsdam-Team Ausflug zum Schloss Glienicke.
Das Schloss Glienicke liegt im Südwesten Berlins, nur ein paar Meter von der Potsdamer Stadtgrenze entfernt. Als wir ankamen erfuhren wir, dass man nur mit einer Führung das Schloss besichtigen kann – umso besser, da es ja immer spannend ist, wie Geschichte von institutioneller Seite erzählt wird. Das Schloss Glienicke gehörte dem Prinzen Carl von Preußen (1801 – 1883), der sich dort bereits im Alter von 23 Jahren ein „kleines Italien“ nachbauen ließ. Im Jahr 1825 erstand Carl das Gutshaus und ließ es von dem Architekten Karl Friedrich Schinkel in ein prachtvolles klassizistisches Schloss umwandeln. Die Grünanlagen wurden von Peter Joseph Lenné gestaltet und vor allem der Park um das Schloss herum soll an Italien erinnern. Uns wurde bei der Führung gesagt, dass gar nicht mehr genau rekonstruiert werden kann, wie alle Räume zu Zeiten des Prinzen Carl gestaltet und genutzt wurden. Heute soll das Museum hauptsächlich einen Eindruck des Klassizismus oder der Schinkelzeit vermitteln.
Als wir zu Beginn unserer Schlossführung erzählten, dass wir eine Gruppe sind, die sich mit brandenburg-preußischem Kolonialismus beschäftigt und besonders wegen des Gemäldes von Achmed zu Besuch in Glienicke seien, reagierte die Museumsführerin auf eine irritierende Art und Weise. Sie nahm zunächst freundlicherweise unser gezieltes Interesse auf, doch sagte auch, dass sie dann einfach eine reguläre Führung geben würde. Als wir endlich in den Raum mit dem Bild Achmeds kamen, kündigte sie dies netterweise extra an. Daraufhin begann sie allerdings Achmeds Zeitgenossen zu verteidigen, als ob die Erwähnung von Kolonialismus gleich bedeuten würde, dass wir allen weißen und einflussreichen Menschen dieser vergangenen Epoche Böses unterstellten, dass wir alle möglicherweise auch nur am Rande am Kolonialismus beteiligten Menschen sogleich als widerliche Rassist_innen verurteilten. Dabei geht es uns tatsächlich darum, die oft unsichtbar gemachten Aspekte der brandenburg-preußischen Geschichte wie die Anwesenheit von Schwarzen Menschen an Hofe zu kontextualisieren. Unsere Führerin schien auch während der restlichen Führung bei jeder Frage, dir wir stellten, die nichts mit Kolonialismus zu tun hatte, etwas argwöhnisch zu sein, als würden wir irgendwo noch eine Kritik verstecken. Wer weiß, vielleicht waren wir wirklich ein verwirrendes Publikum, weil wir keinmal gesagt haben „Ach, hier sieht es aber wirklich aus wie in Italien. Prächtig!“.
Das Gemälde von Achmed heißt vollständig Der Mohr Achmed mit englischen Neufundländern am Tor des Kronprinzenpalais und wurde 1823 von Constantin Schroeter gemalt. „Mohr“ war der damals gängige Begriff für Menschen afrikanischer Herkunft, wir möchten ihn wegen seinem abwertenden Charakter im Folgenden nicht mehr verwenden und schreiben stattdessen M. Das Gemälde von Achmed hängt gleich unter einem Bild von Prinz Carls Lieblingspferd Agathon – scheinbar zwei Dinge, die dem Prinzen Carl sehr am Herzen lagen. Wahrscheinlich handelt es sich um eine unbewusst unglückliche Nebeneinanderstellung seitens des Museums. Dass Schroeters Bild von Achmed mit dessen Namen betitelt ist, kennzeichnet einen Moment im 19. Jahrhundert, als einige wenige der preußischen Bediensteten afrikanischer Herkunft aus der Anonymität heraustraten, da ihnen wenigstens ein Name zugeordnet werden kann (im Gegensatz zu den Statuen oder Büsten von Schwarzen Menschen im Park Sanssouci). Derselbe Achmed wurde gleich auf mehreren Gemälden verewigt, er kann auch noch auf dem Gemälde Parade Unter den Linden in Berlin (1839) des Hofmalers Franz Krüger, das im Neuen Palais in Potsdam hängt, gesehen werden.
Auch wenn uns während unserer Schlossführung versichert wurde, dass Achmed für seine Dienste bezahlt wurde und es ihm sicherlich gut ging, da er andererseits einfach den Hof hätte verlassen können, gibt es reichliche Quellen die ein anderes Bild vermitteln. Joachim Zeller schreibt in dem Buch Black Berlin, dass die soziale Lebenssituation der Schwarzen Bevölkerung in und um Berlin im 19. Jahrhundert meist prekär war. Sie erlebten exotisierende Ausgrenzung und rassistisch motivierte Diskriminierung. Joachim Zeller zitiert unter anderem aus der Deutschen Kolonialzeitung von 1884, in der es heißt, dass „der M. des Prinzen Karl angestarrt wurde, wie ein Tier aus dem Fabelland“.
So ganz verliert Achmed seine Anonymität durch die Gemälde nicht. Viel mehr als sein Name oder diese beiden Bilder von ihm ist nämlich nicht dokumentiert. SchwarzRund hat diese Lücke für ihren Roman Biskaya genutzt. In ihrem Phantasieberlin entwirft sie eine Nachfahrin Achmeds und befreit sein Gemälde letztendlich aus dem Schloss Glienicke, damit er wenigstens heute nicht mehr länger von den größtenteils weißen Besucher_innen angestarrt werden muss.
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