„Unangenehm“, „geschmacklos und schmerzhaft“

Kommentare ehemaliger Mitglieder der Schwarzen Diaspora Hochschulgruppe über die Darstellung Schwarzer Menschen im Park Sanssouci

Farai: Ich heiße Farai von Penz, ich bin Studentin an der Universität Potsdam. Ich studiere Englisch und Spanisch auf Lehramt, ich bin jetzt im Master und fast vom Ende des Studium. Ich bin wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Potsdam schon seit vielen Jahren. Ich identifiziere mich als Schwarze Person, ich bin also Schwarze Studentin in Potsdam. Während meines Studiums war ich sehr aktiv und Gründerin einer Schwarzen Hochschulgruppe, ich beteilige mich an vielen Demonstrationen vor allem auch im Bildungsbereich und in Fragen zu Identität und Rassismus.

Angelo: Ich bin Angelo Camufingo und studiere an der Universität Potsdam. Ich bin dort Antirassismus Referent und konzentriere mich auch überwiegend auf post-, de-, und anti-koloniale, intersektionale und anti-rassistische Themen und Ansätze. Außerdem bin ich Diversity and Inclusion Consultant und Aktivist, u.a. bei #BlackLivesMatterBerlin.

Sonja: Meine Name ist Sonja Vurande, ich bin Studentin an der Universität Potsdam. Ich studiere Englisch und Spanisch auf Lehramt, ich bin in den letzten Zügen meines Masterstudiums. Ich war Mitgründerin einer Schwarzen Diaspora Hochschulgruppe und bin aktivistisch im Bereich Antirassismus Arbeit tätig.

PP: Was waren eure Gedanken, als ihr das sogenannte M***-Rondell zum ersten Mal gesehen habt? Was habt ihr empfunden?

Farai: Das ist interessant weil ich mich ganz genau an diesem Moment erinnern kann. Ich war nämlich noch nicht Studentin an der Universität Potsdam, hatte aber schon geplant, dass ich an dieser Uni studieren möchte und habe eine Fahrradtour nach Potsdam gemacht von Berlin aus, um mir den Campus der Uni anzugucken. Wahrscheinlich über Umwege bin ich dann durch den Park gefahren und direkt an diesem sogenannten M***-Rondell vorbei. Also bin ich diesem Rondell begegnet, sogar bevor ich an der Uni eingeschrieben war. Es ist mir natürlich sofort aufgefallen – als Schwarze Person springt mir das sofort ins Auge. Wenn man durch so ein Park fährt, der wenn man ohne Kontext durchgeht, so märchenhaft und traumhaft ist, überall sind schöne Gebäude und Statuen. Und dann plötzlich standen diese Statuen aus schwarzem Marmor vor mir. Ich bin auf jeden Fall angehalten und musste mir das angucken. Das hat mich zum Grübeln gebracht, mein Gefühl war: was macht das hier? Wie passen diese Statuen hier rein? Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es irgendwo einen Text gab, um das zu erklären. Ich bin ein bisschen nachdenklich und verwirrt weitergefahren. Es war zwar nicht das Ziel meines Ausflugs an dem Tag, aber es ist hängen geblieben.

Angelo: Der Park Sanssouci und dementsprechend auch das M***-Rondell sind ziemlich feste Bestandteile meiner Schulzeit. Ich bin in Potsdam zur Schule gegangen und für nahezu jeden Wandertag oder Aktionstag o.ä. waren wir in irgendeinem Teil des Parks. Ich weiß nicht, ob der Moment, ab dem ich mich erinnere, auch das erste Mal war, dass ich das Rondell gesehen habe, aber ich weiß auf jeden Fall, dass ich neben anderen Dingen das Rondell immer unangenehm fand und auch ziemlich früh wusste, dass es meinen weißen Mitschüler*innen nicht so ging. Damals konnte ich zwar noch nicht erklären, warum ich das fühle und weiß, aber ich habe das Rondell auch damals schon als rassistisch erkannt und das nicht nur wegen des Namens. Wenn wir als Klasse davorstanden oder daran vorbeigegangen sind, habe ich mich oder meine Familie als komisch adressiert und beleidigt empfunden. Ich weiß nicht, ob dieses Gefühl nachempfunden werden kann, aber ich wusste einfach, dass die Menschen, die dort abgebildet wurden, nicht mit der gleichen Freiheit oder dem gleichen Wert angesehen oder abgebildet wurden wie andere Figuren. Ich wusste, es ging nicht um die Schönheit, Stärke und Ästhetik Schwarzer Menschen. Das M*Rondell verkörpert für mich Versklavung, Rassismus, Kolonialismus, und die komplette Entwürdigung von Menschen, deren Ausbeutung für den Reichtum und die Macht des Westens und einer weiß-politischen Mehrheitsgesellschaft verantwortlich ist. Wir haben Menschen, die zu Güter gemacht wurden, die verfolgt, manipuliert und getötet wurden und werden. Diese Menschen, die einzig und allein durch die erobernde Linse weißer Menschen bildhaft festgehalten wurden, geben mir in dem Zusammenhang ein super unangenehmes Gefühl. Dann kommt natürlich noch dazu, dass sie rassistisch fremd bezeichnet wurden.

,,Ich wusste, es ging nicht um die Schönheit, Stärke und Ästhetik Schwarzer Menschen.”

Sonja: Was auf jeden Fall bei mir direkt vermittelt wurde, waren Bilder, die ich schon erwartet habe, wenn man sich historisch mit Brandenburgs Kolonialgeschichte auseinandergesetzt hat, und zwar Bilder von Unterwürfigkeit und quasi Dienerschaft von Schwarzen Menschen. Dazu kommt eine vermeintliche Überlegenheit von Weißen. Das kann man an vielen verschiedenen Stellen sehen fand ich, zum einen, der aufschauende Blick der Schwarzen Büsten zu den weißen Büsten. Ich fand es auch sehr auffällig, dass die weiße Büsten einen sehr geraden, starrenden, erhobenen Blick hatten. Die Kleidung verstärkte bei mir den Eindruck, dass dort eine Unterschiedlichkeit und eine Unterwürfigkeit von Schwarzen Menschen betont wurde. Bei der Kopfbedeckung zum Beispiel. Wenn man sich mit der Geschichte des Versklavungshandels in den Amerikas auskennt, wo Schwarze versklavte Menschen von weißen gezwungen wurden, ihre Haarpracht zu verstecken, zu bedecken oder abzurasieren, um den weißen Menschen das Unwohlsein zu nehmen. Damals wurde Schwarzes Haar als sehr unattraktiv empfunden und gesellschaftlich als negativ konstruiert.

Beim genaueren Hinschauen waren ihre weiße Augen für mich sehr erschreckend. Das assoziierte ich mit der Dämonisierung von Schwarzen Menschen. Der Farbkontrast trug stärker dazu bei. Natürlich haben die römische Büsten diesen Effekt nicht, weil sie komplett weiß sind. Bei den Schwarzen wirkt diese Kontrastierung sehr bedrohlich und entmenschlichend.

Schließlich habe ich mir die weibliche Büsten angeschaut. Ich habe grundsätzlich nichts gegen Nacktheit in Statuen und Denkmälern, aber in Verknüpfung mit der damaligen Fetischisierung und Objektivierung Schwarzer Menschen ist diese Darstellung zusätzlich entwürdigend und exotisierend.

Die Statuen haben bei mir Bauchschmerzen verursacht. Wenn man die Geschichte Schwarzer Menschen in Deutschland kennt, sind das Darstellungen, mit denen man rechnen muss. Sie wurden absichtlich so konzipiert. Egal wo ich in Deutschland unterwegs bin, wenn ich typische Darstellungen von sogenannten M*** sehe – in Coburg auf Pflastersteinen oder bei dem Sarotti-M*** – dann sind das die Gefühle, die bei mir hochkommen.

Farai: Dieses sogenannte M***-Rondell hatte schon innerhalb von Gruppen, die sich in Potsdam dafür interessieren, eine ganz große Debatte ausgelöst, weil dessen Name rassistisch ist. Es gibt noch eine Gegenseite, die vermutet dass es ein historischer Name sei, dass es nichts mit Rassismus zu tun habe. Diese Debatte gibt es auch schon seit Jahren in verschiedenen Orten Deutschlandsi und es wird diskutiert, ob Namen geändert werden sollten. Ich glaube, was zu diesem Rondell beiträgt, dass Menschen sich nicht so schnell überreden lassen wollen, diesen Namen zu ändern, ist dass die Statuen, im Vergleich zu anderen rassistische Abbildungen Schwarzer Menschen, für viele nicht so offensichtlich rassistisch wirken. Die Gesichtszüge der Statuen sind nicht übertrieben. Es sind keine roten, dicken Lippen. Die Statuen ähneln aber der kolonialen Darstellung des „noble savage“ – was als „edle Wilde“ ins Deutsche übersetzt werden kann. Daran erinnern mich diese Statuen. Deswegen denken wahrscheinlich vielen, dass sie im Vergleich zu anderen Darstellungen Schwarzer Menschen würdevoller aussehen.

PP: Was sollte mit diesem Rondell in der Zukunft passieren? Was wünscht ihr euch?

Farai: Momentan bleibt es kontextlos in diesem märchenhaften Park. Da fehlt eine Erklärung zu diesen Statuen: Wie ist die Idee entstanden? Warum sind sie immer noch so platziert?

Sonja: Wenn man sich mit den Demonstrationen in den USA und in Europa aufgrund des brutalen Mordes an George Floyd beschäftigt hat, sieht man wie in Folge dessen weltweit viele Statuen und Denkmäler von Sklavenhändlern und Rassisten zerstört worden sind. Ich finde, dass sich auch in unseren Reihen die Frage gestellt werden sollte: wie gehen wir mit unserem kolonialen Erbe um?

Angelo: Anhand der ganzen öffentlichen Debatten wird im Endeffekt nur deutlich, dass die Geschichte Schwarzer Menschen und ihre Kontinuität einfach keine Rolle spielen. Ganz im Gegenteil, man fühlt sich dann irgendwie in seiner Nostalgie-Geschichte und Sprache beraubt, was sehr entwürdigend und beleidigend ist.

Farai: Aufgrund der aktuellen Debatte kommt die Frage der Auseinandersetzung mit Statuen, die im Zusammenhang mit Kolonialgeschichte und mit dem Sklavenhandel stehen, wieder zentral in die Öffentlichkeit. Vor ein paar Wochen haben Aktivist*innen der #BlackLivesMatter Bewegung zusammen mit anderen Demonstrant*innen, die Statue von Edward Colston in Bristol gestürzt und in den Hafen geworfen. Colston war ein Sklavenhändler, der sich durch den Ankauf, Verkauf und die Ausbeutung von Afrikaner*innen als Mitglied der Royal Africa Company bereichert hat. Da kommt man zu der Überlegung: was macht man mit Statuen, die zwar Teil der Landschaft sind, in der wir leben, aber die eigentlich viel Negativität in sich tragen und eigentlich nicht kontextlos irgendwo stehen dürften. In der Tat trägt eine Statue im öffentlichen Bereich viel Bedeutung. Beim M*Rondell ist es jetzt vielleicht eine andere Frage als bei Colston, aber wir haben Schwarze Personen, die aus Sicht eines weißen Künstlers dargestellt wurden. Es entspricht seiner Vision Schwarzer Menschen, also haben wir diesen „gaze“ii von einerm weißen Mann auf sogenannte „edle Wilde“, und das wird durch die Präsenz des Rondells immer wieder über die Jahrzehnten reproduziert.

Eine erste Möglichkeit wäre dieses Rondell zu kontextualisieren, d.h. eine hervorgehobene Erklärung und Beschreibung dort hin zu stellen, die dieses Rondell kritisch mit der Geschichte in Verbindung bringt. Dabei sollte auch diese Darstellung kritisch hinterfragt werden, sodass die Besucher*innen nicht einfach vorbeilaufen und denken „wie schön“ sondern auch darüber lernen, dass Potsdam eine Kolonialgeschichte hat, was eigentlich sehr wenige Menschen wissen. Aber ist eine Tafel ausreichend, wenn die Präsenz des Rondells immer noch stärker wirkt, als eine schriftliche Kontextualisierung, die man nur sieht, wenn man hin geht?

Eine zweite Lösung für mich wäre also dieses Rondell aus dem Park zu entfernen und es z.B. in ein Museum zu verschieben, in einen Ort, wo es ordentlich kontextualisiert werden kann. So werden auch diese Büsten dieser öffentlichen Arena entzogen und so wird diese Darstellung nicht mehr Teil einer anscheinend harmlosen städtischen Landschaft, eines Alltags.

 ,,Ein Teil der Geschichte – nämlich den Sklavenhandel und die Verbrechen, die damit zusammenhängen – wird dadurch banalisiert oder sogar legitimiert.”

Angelo: Was ich mir im Zusammenhang mit dem Rondell wünschen würde, ist beispielsweise -abseits der Tatsache, dass ich mir die Anerkennung der Politiker*innen und auch generell des öffentliches Diskurses wünsche – sich aktiv damit auseinanderzusetzen, was dieses Rondell eigentlich verkörpert und was das mit Menschen macht und was es fortsetzt. Ich glaub viele Menschen unterschätzen, was es macht. Auf der einen Seite wird die ganzen Zeit darüber debattiert, dass „ja, wir müssen natürlich Sprache sensibilisieren, aber wir dürfen das nicht aus der Geschichte streichen“ usw., aber ich glaube wir unterschätzen die Diskursmacht, die wir haben und den positiven Einfluss, den wir nehmen können. Ich frag mich immer: wem wird konkret etwas weggenommen, wenn der Name geändert wird oder selbst wenn die Figuren aus dieser Position weggenommen werden. Sind diese Büsten ein Teil der Geschichte, an den erinnert werden muss? Muss es weiterhin bildlich zugänglich sein? Wenn das der Fall ist, dann soll es einfach vernünftig aufgearbeitet werden und das ist, was fehlt.

Also was wäre, wenn man das Rondell umbenennt und man gleichzeitig eine Möglichkeit aufstellt, um sich zu informieren, auf der z.B. ein „trigger-warning“ vorgeschoben wird und dann wird da quasi erklärt: „ursprünglich hieß es M***-Rondell und es bedeutet…“ sodass Leuten die Möglichkeit gegeben wird, sich zu entscheiden: „Möchte ich mehr darüber wissen? Bin ich gerade in der Verfassung, mir das anzuhören und die Begriffe durchzulesen? Hab ich die Möglichkeit mir das nicht anzugucken?“ Solche Sachen würde ich mir wünschen. Gleichzeitig muss generell viel mehr erklärt werden, was es bedeutet und Position bezogen werden. Geschichte kann nicht einfach nur „faktisch“ sein, weil sie es nicht ist. Es ist keine objektive Wissenschaft. Ich glaube, es ist einfach wichtig, dass selbst wenn man sich dazu entscheidet solche Sachen stehen zu lassen, man anfängt, diese Sachen zu kommentieren und nicht einfach nur zu beschreiben

Sonja: Ich bin davon überzeugt, dass wir das M***-Rondell sowie es momentan existiert, loswerden sollten. Ich habe das Gefühl, dass diese Darstellung in diesem Park als Schmuck oder Verzierung weiterhin Besucher*innen anlockt . Ein Teil der Geschichte – nämlich den Sklavenhandel und die Verbrechen, die damit zusammenhängen – wird dadurch banalisiert oder sogar legitimiert. Das ist für mich als Schwarze Person schmerzhaft und ich kann mir vorstellen, dass es für viele anderen Schwarzen Personen auch der Fall ist.
Ich würde mich freuen, wenn es einfach verschwindet. Ich könnte mir vorstellen, dass eine Infotafel erstellt wird, um zu gedenken, dass dieser Ort existierte.

Solange dieses „Dienende“ bei der Position und Darstellung der Schwarzen Büste in diesem Rondell fortbesteht, werden Narrative der Unterwürfigkeit Schwarzer Menschen weiter erhalten. Diese Büsten gehören meines Erachtens in ein Museum. Dort sollten sie kritisch kontextualisiert werden. Diese Darstellung ist nicht mehr zeitgemäß. Es ist für mich sehr geschmacklos und schmerzhaft.

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