„Ruß-Pieten“ oder der letzte Strohhalm des weißen Mannes

Am zweiten Dezemberwochenende diesen Jahres (2016) wurde in Potsdam wieder die Ankunft des holländischen Sinterklaas und seiner Begleiter, den Schwarzen Pieten, gefeiert. Die Stadt gefällt sich darin, ihre Internationalität und angebliche Weltoffenheit hervorzuheben. Potsdam hat nicht nur das Holländische Viertel, ein paar Straßen, die einer niederländischen Stadt mit roten Backsteingebäuden nachempfunden sind. Es gibt auch ein russisches Viertel, mit Holzhäusern in russischem Stil und im Park Sanssouci befindet sich ein – nach europäischer Vorstellung – chinesisch aussehendes Teehaus. Darüber hinaus beherbergen die zahlreichen Schlösser in der Region Potsdam viele vornehmlich gestohlene Gegenstände aus dem Globalen Süden, die von aufmerksamkeitssuchenden weißen „Entdeckern“ während der Kolonialzeit nach Potsdam gebracht wurden und sich seitdem hier befinden.

Es ist natürlich eine schöne Idee, die verschiedenen internationalen Einflüsse und Potsdams weiterhin bestehende Verbindungen mit anderen Nationen und Kulturen zu ehren, allerdings gibt es noch viel Raum für Verbesserungen. Man sollte sich darüber bewusst werden, dass diese Verbindungen nicht immer ein Grund zum Feiern sind, oft gibt es Abschnitte der Geschichte dieser Verbindungen, die nicht angesprochen werden und die – wenn auch schweigend – von Unterdrückung und Ausbeutung erzählen. Diese Bestandteile der Geschichte treten sogar in unserer Gegenwart noch häufig auf, wenn auch in einer anderen, aber doch wiedererkennbaren Aufmachung.

Wie wir bereits berichteten, beinhaltet die Tradition der Ankunft des weißen Sinterklaas und der Schwarzen Pieten in Blackface, die nicht nur seine Diener sind, sondern auch Clown-ähnliche Figuren darstellen zur Unterhaltung des (in Potsdam) größtenteils weißen Publikums, kolonialrassistische Repräsentationen. Während dieses Fests, benutzen weiße Europäer_innen ihre Wahrnehmung von ihrer Meinung nach typischen Charakteristiken Schwarzer Menschen zu ihrem Amüsement.

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Im letzten Jahr hat die Stadt Potsdam eingesehen, dass es nicht mehr länger vertretbar ist, den Förderverein zur Pflege niederländischer Kultur in Potsdam, der das Sinterklaasfest organisiert, finanziell zu unterstützen, wenn bei dieser jährlich stattfindenden Veranstaltung weiterhin rassistische Elemente als Teil des Festes bestehen bleiben. Es brauchte mehrere lange Treffen und kontinuierliches Engagement von u.a. Vertreter_innen des Afrika Rats, der Initiative für Schwarze Menschen in Deutschland, der Opferperspektive Potsdam und unserer Gruppe sowie  eine Podiumsdiskussion und einen offenen Brief mehrerer Professor_innen der Universität Potsdam, um die lokalen Politiker_innen und Sponsor_innen zu überzeugen.

Das Ergebnis war ein Sinterklaasfest ohne Sinterklaas und Zwarte Pieten im Jahr 2015, das Fest wurde als niederländisches Adventsfest gefeiert. In diesem Jahr kündigte der Förderverein zur Pflege niederländische Kultur in Potsdam jedoch an, dass sie das Sinterklaasfest wieder in gewohnter Form veranstalten könnten, da es ihnen gelungen war holländische Partner_innen zu finden, die damit einverstanden waren, die Ankunft des Sinterklaas und der Zwarten Pieten ohne Blackfacing darzustellen. So war dann auch die finanzielle Unterstützung der Stadt wieder gewährleistet. Die Gruppe aus den Niederlanden kopierte eine Darstellung der Pieten, die auch in niederländischen Städten bereits angewendet wird, um den Gebrauch von Blackface zu vermeiden. Aus diesem Grund waren die Musiker_innen und Begleiter_innen des Sinterklaas in diesem Jahr „Ruß-Pieten“ mit nur etwas schwarzer Farbe im Gesicht, die als Rußspuren vom Klettern durch den Schornstein erklärt werden. Ähnlich wie beim deutschen Knecht Ruprecht, heißt es, dass die Schwarzen Pieten durch die Schornsteine in die Häuser klettern, um die Geschenke für die Kinder zu bringen. Allerdings trug in Potsdam mindestens ein Piet auch noch immer eine Afro-Perücke und widerlegte so den Bezug zum Schornstein und stellte stattdessen eine explizite Verbindung zur afrikanischen Herkunft des Charakters her. Außerdem trugen viele der Darsteller_innen schwarze Handschuhe und Kniestrümpfe.

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Von der Lokalzeitung Potsdamer Neueste Nachrichten (PNN) wurden die Ruß-Pieten als „Halbschwarze“ beschrieben. Diese Beschreibung legt die Interpretation nahe, dass die Organisator_innen sich mit dieser Repräsentation am letzten möglichen Strohhalm, den sie finden konnten, festhielten, um die Tradition des Festes in so geringem Maße wie möglich zu ändern. Wenn es nicht mehr länger unterstützt wird, die Pieten komplett schwarz anzumalen, nun, dann kann man sie ja noch „halbschwarz“ darstellen und sich weiterhin weigern, die Kritik an diesem speziellen Teil der Sinterklaas Tradition ernst zu nehmen. Aber es gibt eben kein „ein bisschen rassistisch“ oder „weniger rassistisch“. Eine rassistische Handlung, ob sie nun als solche beabsichtigt ist oder nicht, bleibt rassistisch.

Abgesehen davon, dass es weniger Afro-Perücken und weniger schwarze Farbe in den Gesichtern der Pieten gab, sahen die Pieten genauso aus wie in den Jahren zuvor. Hier sollte man auch anmerken, dass die Kleidung der Pieten den Uniformen versklavter Afrikanischer Kinder, die als Diener in weißen Haushalten und bei Hofe arbeiten mussten, zum Verwechseln ähnlich sieht. Darstellungen dieser Diener findet man oft in Gemälden aus dem 17. und 18. Jahrhundert.

Ein weiterer wichtiger Teil des Sinterklaasfestes ist ein Markt, auf dem niederländische Produkte angeboten werden. An diesen Ständen waren noch viele Bilder der Zwarten Pieten in vollständigem Blackface zu finden. Auf Girlanden, Wimpeln und als Schokolade waren die stereotypischen Repräsentationen der Zwarten Pieten nach wie vor sichtbar. Wahrscheinlich sind diese Dekorationen von den Betreiber_innen der einzelnen Stände aufgehängt worden, allerdings liegt es eindeutig in der Verantwortung der Veranstalter_innen sicher zu gehen, dass diese verletzenden Bilder komplett aus der Öffentlichkeit verschwinden.

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Überraschenderweise entschied sich der Förderverein zur Pflege niederländische Kultur in Potsdam dafür, uns als Gruppe davor zu warnen und uns auszureden am Sinterklaasfest teilzunehmen anstatt sich dafür einzusetzen, dass sich alle Gäste willkommen fühlen und die Teilnahme an dem Fest genießen können. Auf Grund unterschiedlicher Informationen zum Aussehen der Pieten in den Potsdamer Zeitungen PNN und MAZ, kontaktierten wir die Veranstalter_innen selbst, um herauszufinden, wie die Pieten in diesem Jahr aussehen würden. Als Antwort erhielten wir folgenden Ratschlag: „Soweit es das Anliegen Ihrer Gruppe ist, nicht mit „Verletzungen” konfrontiert zu werden, gibt es nur die Möglichkeiten, sich tolerant auf die Veränderungen einzulassen oder im Zweifel von einem Besuch unseres Festes abzusehen.“

Wir freuen uns, dass die Proteste gegen das Blackfacing wenigstens zum Teil erfolgreich waren. Auch wenn sich die Darstellung der Pieten unserer Meinung nach noch stärker ändern müsste, ist es schon ein Schritt in die richtige Richtung, dass Blackfacing nicht mehr von städtischen Geldern finanziert werden soll. Allerdings würden wir eine diversere und weniger einseitige Berichterstattung in den lokalen Medien begrüßen. Bislang erhält der Förderverein zur Pflege niederländischer Kultur in Potsdam sowie Personen, die für die Weiterführung der Tradition des Blackfacing sind, eher positive Berichterstattung, während Gruppen wie unsere, die sich dagegen aussprechen größtenteils ignoriert werden. Aus diesem Grund dominieren Meinungen, die die Zwarten Pieten aus nostalgischen Gründen nicht verändern wollen oder die Kritik an Blackfacing als unsinnige political correctness sehen, die öffentlichen Medien. Darüber hinaus werden Artikel zum Thema noch immer fast ausnahmslos mit Bildern Zwarter Pieten in Blackface veröffentlicht. Wir würden uns freuen aktuellere Darstellungen der Pieten ohne Blackface zu sehen und ausführlich über die zeitgemäße Debatte über die Veränderung von Aspekten von Traditionen mit all ihren diversen Perspektiven lesen zu können.

Autor*innen: Lina Fricke, Yann LeGall, Anna von Rath
Übersetzung: Lina Fricke
Fotografie: Lina Fricke

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