Statuen von Afrikanern vor dem Neuen Palais
[in diesem Text geht es um koloniale und sexualisierte Gewalt.]
Unsere Initiative „Postcolonial Potsdam“ entstand im Jahr 2014. Damals organisierten einige unserer Mitglieder eine Konferenz zu „Postkolonialer Gerechtigkeit“. Die Konferenz fand auf dem Campus am Neuen Palais der Universität Potsdam statt. Wissenschaftler*innen kamen von weit her, um sich mit kolonialen Ungleichheiten und Diskriminierung zu befassen. Es wurde viel über Australien und Afrika gesprochen. Während wir über die Auswirkungen der Kolonialherrschaft in der ganzen Welt lernten, fragten wir uns: Was ist eigentlich mit Potsdam?
Vor dem Neuen Palais gibt es zwei Statuen, die unser Interesse weckten. Sie stellen zwei Schwarze Männer dar. Wir fragten uns damals: Was ist ihr Zweck? Wer stand wohl Modell für diese Statuen? Waren es Personen, die in Potsdam lebten?
Leider lassen sich kaum Antworten auf diese Fragen finden. Das Neue Palais wurde 1769 von Friedrich dem Großen erbaut. Im späten 19. Jahrhundert fügte Kaiser Wilhelm II. die umliegenden Terrassen hinzu. Diese Terrassen werden von 54 Skulpturen geschmückt und die beiden Schwarzen Männer gehören dazu. Sie säumen einen Treppenaufgang und halten jeweils eine Laterne. Der Berliner Bildhauer Walter Schott entwarf alle neueren Statuen zwischen 1893 und 1895. Sie sind aus Sandstein gefertigt. Ihr Stil erinnert an die älteren Skulpturen auf dem Dach und an den Wänden des Neuen Palais. Der Unterschied besteht darin, dass alle Originalskulpturen auf dem Schloss entweder mythologische Figuren oder Gött*innen sind. Sie wurden gezielt als Machtsymbole eingesetzt. Die später entstandenen Terrassen hingegen sind rein dekorativ. Nur wenige der Skulpturen von Walter Schott beziehen sich auf Mythologien. Über die beiden Statuen der Schwarzen Männer lässt sich sonst noch sagen, dass sie antike römische Gewänder tragen. Mehr nicht.
Obwohl wir über diese beiden Statuen nur wenig herausfinden konnten, waren sie richtungweisend für weitere Recherchen. Walter Schotts Arbeit lenkte unsere Aufmerksamkeit auf den deutschen Kolonialismus in Ost-Afrika und China.
Schott war nicht nur der persönliche Bildhauer Kaiser Wilhelms II. Darüber hinaus fertigte Schott auch eine Büste von Carl Peters an. Peters gilt als Gründer von Deutsch-Ostafrika. Er ist bekannt für seine Brutalität. In Tansania wird Peters heute noch „mkono wa damu“ genannt, was Kisuaheli für „blutige Hand“ ist. Peters unterdrückte die lokale Bevölkerung und vergewaltigte Afrikanerinnen. Eine junge Frau namens Jagodjo schaffte es aus seinem Hauptquartier zu fliehen. Aber Peters schickte seine Truppen, um sie zu fangen und hängte sie auf. Mit einer Rede im Reichstag sorgte der bekannte Abgeordnete August Bebel zwar dafür, dass Peters 1897 von seinem Posten als Kommissar entlassen wurde. Heute gibt es ihm zu Ehren immer noch eine Petersallee in Berlin. Mehr über den deutschen Kolonialismus in Ostafrika erfahren Sie in unserem Text zur Spitze des Kilimandscharo.
Nun noch mal zurück zu Walter Schott. Schott entwarf auch Kriegsmedaillen, darunter die, die 1901 nach dem Boxerkrieg in China an deutsche Soldaten verliehen wurden. Der Boxerkrieg ist eng verbunden mit den deutschen Kolonialbestrebungen in China. Deutsche Soldaten zogen mordend und plündernd durch China. Darüber erfahren Sie mehr in unserem Text zur Orangerie.
Die beiden Statuen hier vor dem Neuen Palais, haben unseren Blick geschärft für die unzähligen kolonialen Spuren in Potsdam und Umgebung.