Das holländische Viertel in Potsdam und rassistische Traditionen

Dies ist ein Gastbeitrag von Lillian Dam Bracia.

Das holländische Viertel in Potsdam ist nicht größer als vier Häuserblöcke, wird aber gerne „kleines Amsterdam“ genannt. Dieses Viertel steht für die preußisch-niederländische Freundschaft. Jedes Jahr am ersten Dezemberwochenende wird das niederländische Sinterklaasfest auch in Potsdam gefeiert. Dafür reisen viele niederländische Schausteller*innen und Kunsthandwerker*innen an. Der Verein zur Pflege niederländischer Kultur in Potsdam richtet es aus. Sowohl Preußens Verbindung mit den Niederlanden vor einigen hundert Jahren, als auch das Sinterklaasfest heutzutage verweisen auf koloniale Zusammenhänge.

Preußen war stolz auf seine Freundschaft mit dem niederländischen Königreich. Am besten sollten sich geschickte, niederländische Handwerker mit ihren Familien in Potsdam ansiedeln. Von ihnen gäbe es viel zu lernen. So wurde zwischen 1733 und 1742 das holländische Viertel von dem niederländischen Architekten Jan Bouman erbaut, der übrigens auch für den Berliner Dom und das Hauptgebäude der Humboldt Universität zu Berlin verantwortlich ist. Entgegen aller Hoffnung von Friedrich Wilhelm I., blieben die Handwerker nach Abschluss der Arbeit aber nicht in Potsdam.

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Das holländische Viertel in Potsdam (Foto: Axel Hindemith, Wikimedia Commons)

Die hübschen Häuser hier im holländischen Viertel lassen Sie sicher nicht zuerst an koloniale Unterdrückung denken. Auch Potsdams Interesse an den Niederlanden wirkt zunächst harmlos. Doch bereits bei seinem Bau hatten die Niederlande ein mächtiges Kolonialreich errichtet. Sie beteiligten sich am transatlantischen Versklavenhandel. Noch bis 1863 war die Versklavung von Afrikaner*innen in ihren Kolonien erlaubten. Auch in der Hinsicht sah Preußen die Niederlande leider als Vorbild an.

Mit der Versklavung etablierten sich rassistische Ideen und Darstellungen von Afrikaner*innen. Heute sind einige dieser Vorstellungen bei den traditionellen Sinterklaas Festen immer noch sichtbar. Sinterklaas ist ein weißer Mann mit langem Bart, der wie der Weihnachtsmann aussieht. Potsdam erreicht er jedes Jahr mit einem Boot am Hafen und reitet dann auf einem Pferd durch die Stadt. Sein Ziel ist das holländische Viertel. Aber Sinterklaas kommt nicht allein. Ihm folgt eine Gruppe von Musiker*innen. Das sind die sogenannten „Zwarte Pieten“, also Schwarze Peter auf Deutsch. Es handelt sich um eine umstrittene und problematische Figur. Diese „Pieten“ stellen Diener dar, sie sollen angeblich alle Schwarz sein. Tatsächlich handelt es sich meistens um weiße Menschen in Blackface. D.h. weiße Menschen benutzen braune Farbe für ihr Gesicht. Sie malen sich große, rote Lippen. Viele tragen goldene Ohrringe und eine gelockte Afro-Perücke. Ein buntes Renaissance-Kostüm wird mit einem Federhut kombiniert. Verkleidete weiße Menschen ziehen in einer Parade hinter Sinterklaas her. Sie spielen Musik, machen Witze, jonglieren und springen. Sie sollen das in Potsdam großenteils weißen Publikum erfreuen, vor allem Kinder.

Bild der Stop Blackface Kampagne (www.stopblackface.com)

Die Figur des Zwarte Piet erschien erstmals im Jahr 1850. Piet galt als der gehorsame Diener des Sinterklaas. Das war 13 Jahre vor der Abschaffung der Versklavung im niederländischen Reich. Der Zwarte Piet geht auf eine Figur aus Jan Schenkmans Kinderbüchern zurück. Die niederländische Wissenschaftlerin Gloria Wekker erklärt, dass die Bilder der Schwarzen in Schenkmans Werk ausschlaggebend für das Aussehen und den Charakter vom heutigen Zwarte Piet waren. Zwarte Piet wird als kindlich, leicht, lustig, aber ein bisschen dumm dargestellt. Er lacht immer und will sich amüsieren. Sinterklaas ist im Gegensatz dazu weise, ernst und wohlwollend. Sinterklaas ist der besonnene, weiße Master. Dieser Kontrast stützt rassistische Vorstellungen von einer Hierarchie zwischen weißen und nicht-weißen Menschen.

Blackface wird nicht nur schon lange in den Niederlanden und Potsdam praktiziert. Auch in anderen Teilen Deutschlands, in Großbritannien, Belgien und in den Vereinigten Staaten malen sich weiße Darsteller*innen immer wieder schwarz an. Es ist eine Praktik, die Schwarze Menschen und People of Color erniedrigt. Blackfacing ist Teil eines historisch gewachsenen rassistischen Diskurses.

Viele weiße Menschen klammern sich an die Figur des Zwarte Piet. Sie behaupten, es sei eine harmlose Kindertradition. Sie wollen möglicherweise gar nicht merken, dass sie eine rassistische Praxis verteidigen. Stereotype sind jedoch nicht harmlos. Wenn Schwarze Menschen mit den Zwarte Piets in Verbindung gebracht werden, passiert das als Schikane. In Regionen, in denen weißsein als Norm angesehen wird, betonen Darstellungen wie die des Zwarte Piets Differenz und Hierarchie. Das Sinterklaas Fest feiert jedes Jahr Traditionen, die mit dem kolonialen Diskurs verbunden sind.

Für eine wirklich gerechte und vielfältige Gesellschaft müssen alle Stimmen ernst genommen werden. Weil es sie nicht betrifft, erlauben sich weiße Europäer*innen, die Perspektive der Betroffenen zu verzerren oder zu ignorieren. In Potsdam machten einige Politiker*innen und die Zivilgesellschaft Druck. Deshalb hat sich die Sinterklaas Feier in den letzten Jahren verändert. Die Piets tragen kein komplett schwarz-bemaltes Gesicht mehr. Sie sind jetzt „Ruß-Petes“ mit Kamin Ruß im Gesicht.

Text von Lillian Dam Bracia

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